Grübel-Falle

27.04.2020

Liebe an Achtsamkeit Interessierte,

habt ihr euch in der letzten Zeit einmal beim Grübeln ertappt? Ich schon. Die Corona-Krise mit allen Unsicherheiten in Zeiten von Covid-19 kann ein Sprungbrett in eine Grübel-Schleife sein.

Der Geist springt auf Bedrohung sofort an. Er spult unzählige Befürchtungen und Szenarien ab. Dabei meint er es gut. Er will uns nur beschützen, indem er wie wild die Zukunft plant. So kann man gedanklich innerhalb von Sekunden und Minuten alles verlieren und sich obdachlos unter einer Brücke wiederfinden. Oder der Geist rollt Vergangenes immer wieder auf.

Dieses fruchtlose, oft quälende Nachhängen der Gedanken nennt man grübeln. Die Sorgen sind manchmal berechtigt. Aber man erreicht mit Grübeln nichts, außer sich fertig zu machen.

Aus einem Problem hat sich noch niemand herausgegrübelt

Beim Grübeln machen sich die Gedanken selbstständig. Ab einem gewissen Punkt wiederholen sie sich nur mehr in einer Endlosschleife. Und schon ist man in die Grübel-Falle getappt. Das ständige Grübeln ist weder lösungsorientiert noch zielführend. Sich in Gedanken zu verheddern, hat gleich drei Haken:

  1. Aus einem Problem hat sich noch niemand herausgegrübelt. Auch wenn der Geist noch so eifrig versucht, Gedanken mit Gedanken zu bewältigen.
  2. Gedanken sind mächtig. Begleiter des Aufruhrs im Kopf sind: Angst, Furcht und Stress. Manchmal auch Panik. Häufen sich Grübeleien, schadet das nachweislich der Gesundheit. Denn Grübeln ist nichts anderes, als negativen Gedanken freien Lauf zu lassen. Dauerndes Grübeln über Sorgen und Ängste kann das Immunsystem schwächen, krank und depressiv machen. Auch Anspannung im Körper gehört zu den Folgen. Dabei geht jede Menge Energie verloren, weil man nicht mehr Änderbares aus der Vergangenheit wiederkäut. Oder man beschäfigt sich mit Ereignissen in der Zukunft, die so aller Wahrscheinlichkeit nach nie eintreten werden.
  3. Dazu kommt, dass wir uns oft mit Gedanken und Gefühlen identifizieren. Wir glauben das, was wir uns erzählen. Aber unser Denken ist im Großen und Ganzen nichts anderes als eine Sammlung von Gedanken, die wir irgendwann einmal gehört und übernommen haben. Unsere Gedanken sind also meist nicht einmal unsere eigenen. Aber wir halten sie für unser Selbst.

 

„Man muss sich von sich selbst nicht alles gefallen lassen.“

Viktor Frankl, Neurologe und Psychiater, Holocaust-Überlebender

Genug gegrübelt: Achtsamkeit als ein Weg aus dem Grübeln

Doch was tun? Achtsamkeit und MBSR können hier sehr hilfreich sein. Vom Gesichtspunkt der Achtsamkeit geschieht alles im gegenwärtigen Moment. Der Fokus auf das Hier und Jetzt ist also entscheidend. Dabei geht darum, Gedanken und Gefühle als das zu erleben, was sie sind: Es sind mentale Ereignisse, die auftauchen und wieder vergehen.

Achtsamkeit wird oft mit einem Spiegel verglichen: Der „Achtsamkeits-Spiegel“ reflektiert das, was gerade da ist. Achtsamkeit ist also kein Denkprozess. Es ist ein riesiger Unterschied zwischen dem Denken und dem Sich-dessen-bewusst-Sein, dass man denkt. Dadurch entsteht Abstand. Ohne Aufmerksamkeit, Wachheit und Übung geht das aber nicht.

Wenn man mit sich im Moment in Kontakt ist, dann ist man im Hier und Jetzt. Und damit ist man nicht in Gedanken und Grübeleien verloren. Während man in dieser Weise aufmerksam ist, braucht man auch nichts in Ordnung zu bringen. Neben der Meditationspraxis sind die Kurzmeditationen „STOP“ und „Atem-Raum“ hilfreiche Übungen aus dem MBSR-Kurs. Die beiden Übungen ermöglichen es, einen Schritt zurück aus dem „Autopiloten“ zu treten und sich mit dem gegenwärtigen Moment zu verbinden. Das schließt große Unruhe und Sorgen mit ein.

Es geht darum, die Gedanken als mentale Ereignisse wohlwollend zu erleben und zu beobachten. Die Kunst dabei ist, sich nicht in Gedanken und Gefühlen zu verlieren, nicht in die Geschichten dazu einzusteigen oder sie zu analysieren. Achtsamkeit hilft zu bemerken: „Aha, ich verheddere mich gerade in Gedanken.“ Dadurch kann ich inne halten, ausatmen, ein paar Atemzüge machen und die Aufmerksamkeit auf etwas anderes lenken.

Ein wesentliches Element der Achtsamkeitspraxis ist es, mit Mitgefühl sich selbst gegenüber präsent zu bleiben.

Gemeinsam online meditieren

Es gibt bis zumindest Ende Mai weiterhin die Möglichkeit, dreimal pro Woche gemeinsam für 30 Minuten online zu meditieren.

Die Termine und der Zugangslink sind in der Terminübersicht auf der Website:

Liebe Grüße

Brigitte
Mag. Brigitte Wegscheider | Letztes Update am 27.04.2020